Emigration

Die auf den vorangegangenen Seiten dargestellten Verfolgungsmaßnahmen der NS-Regierung erschwerten die Flucht der jüdischen Einwohnerschaft aus Göttingen und Umgebung. Vor allem die Sondersteuern führten zu großen Einschränkungen, die sich auf die Reisemöglichkeiten, die Visabeschaffung und die Zahlung der Transportkosten auswirkten.

Umso mehr stellt sich die Frage, wie es jüdische Familien und einzelne Betroffene schafften, ihre Emigration zu bewerkstelligen und sich in Sicherheit zu bringen. Welche Organisationen unterstützen sie bei ihrer Flucht? In welchen Ländern konnten sie unterkommen? Wie erging es ihnen beim Neuanfang in einer ungewohnten Umgebung mit einer neuen Sprache und ohne finanzielle Rücklagen?

Die Vorbereitungen zur Flucht begannen mit der Herausforderung, an die benötigten Papiere zu gelangen. Finanzielle Ressourcen waren meist aufgebraucht, ausländische Konsulate verlangten für die Visaerteilung die Vorlage gültiger Reisepässe. Spätestens nach Einführung der Kennkarten im Juli 1938 verlängerten die deutschen Behörden abgelaufene Reisepässe jüdischer Antragsteller aber nicht mehr ohne den J-Stempel. Um die Ausreisehindernisse zu verringern, erließ die NS-Regierung Verordnungen, mit denen die Ausstellung neuer Reisepässe erleichtert werden sollte.

Beschaffung von Reisepässen war problematisch

Zunächst mussten die Verfolgten sich ihre konkreten Ausreisepläne bescheinigen lassen, z.B. durch den Beleg eines Konsulats oder einer der Beratungsstellen für Auswanderer. Dann waren steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen zu beschaffen. Diese konnten bei den Finanzämtern beantragt werden, sie sollten u.a. belegen, dass keine Steuerschulden beim Fiskus anhängig waren. Gegen Ende der 1930er Jahre schränkte die zunehmende antijüdische Gesetzgebung außerdem die Freizügigkeit der Antragsteller immer mehr ein. Die Beschaffung des Reisepasses und des Visums kam somit, von den Kosten abgesehen, einem Spießrutenlauf gleich.

„Hilfsorganisationen", „Fluchtrouten", „Aufnahmeländer" und „Fluchtbedingungen" lauten die Titel der folgenden Unterseiten. Sie behandeln sowohl die politischen und bürokratischen Rahmenbedingungen als auch die konkreten Begleitumstände der Flucht. Es werden Dokumente aus mehreren Archiven und Online-Datenbanken, Gesetzestexte und Aussagen von Zeitzeugen zur Auswertung herangezogen.

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