Aufnahmeländer

In der Zeit von 1933 bis 1941 gelang es über 60 Prozent der gut 550.000 jüdischen Deutschen, die zu Beginn der NS-Herrschaft in Deutschland gelebt hatten, sich im Ausland in Sicherheit zu bringen. Die Wahl der Aufnahmeländer orientierte sich dabei an deren  Einwanderungsbestimmungen.

Hatten es die Verfolgten geschafft, das Deutsche Reich zu verlassen, war nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs oft die Weiterreise nach Übersee nötig, um dem wachsenden deutschen Einflussgebiet zu entkommen. Ein großes Problem stellte die Einwanderungspolitik der vorgesehenen Aufnahmeländer dar.

Drei Hauptphasen der Flucht jüdischer Verfolgter

In der ersten Zeit nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 war die Emigration nach Palästina noch ohne große Einschränkungen möglich, es gab aufnahmebereite Verwandte in den Nachbarländern des Deutschen Reiches sowie die Möglichkeit, über die deutsche Quote ein Einwanderungsvisum für die USA zu erhalten. Ab Mitte der 1930er Jahre erhöhten aber die britische Mandatsregierung in Palästina und einige südamerikanische Staaten die Hürden für die Einwanderung erheblich. Während in England die Furcht vor einem arabischen Aufstand in Nahost grassierte, nahm das Königreich selbst bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs noch viele Flüchtlinge auf. Scheinbare Probleme auf dem Arbeitsmarkt und Angst vor NS-Spionage ließen den politischen Widerstand gegen die Aufnahme von Verfolgten aus Mitteleuropa aber stetig wachsen.

Visumpflicht und Arbeitsverbot erschwerten die Auswanderung

In Frankreich, Belgien und den Niederlanden wurde eine Visumpflicht eingeführt, die, in Verbindung mit einem Arbeitsverbot, die Verfolgten  abschrecken sollte. Aufnahmeländer wie Brasilien oder Argentinien erhoben aus Angst um ihre wirtschaftliche Stabilität Vorzeige- oder Landungsgelder, bei deren Höhe man einen gewissen Wohlstand der jüdischen Immigranten voraussetzte. So musste als Grund für die allgemein repressiver werdende Einwanderungspolitik die Sorge um die soziale Lage in den potentiellen Aufnahmeländern herhalten. Der „Anschluss" Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland im Frühjahr 1938 löste dann eine regelrechte Krise aus. Nachdem bis dahin schon annähernd die Hälfte der deutschen Juden und Jüdinnen das Land verlassen hatte, war die jüdische Bevölkerung des durch die Okkupation größer gewordenen Deutschen Reiches nun fast wieder auf ihre alte Stärke von 1933 „angewachsen". In der NSDAP wurden Stimmen laut, die verschärfte Repressionen gegen „Auswanderungsunwillige" forderten. Zuständige Parteistellen installierten daraufhin das Zentralamt für jüdische Auswanderung in Wien, dessen Leitung Adolf Eichmann übernahm. Die jüdische Bevölkerung Wiens wurde vor die Alternative "Auswanderung oder Enteignung und KZ-Haft" gestellt. Dieses "Modell" wurde nach dem Novemberpogrom 1938 auf das ganze Reich ausgedehnt.

In der internationalen Gemeinschaft war man sich der Flüchtlingsproblematik im Deutschen Reich durchaus bewusst. Doch auf der Konferenz von Évian im Juli 1938 fanden die beteiligten Staaten keine Lösung für die Probleme. Viele Länder erschwerten sogar die Einreise, so dass die Hilfsorganisationen nur noch wenige Optionen für die Aufnahme der Geflüchteten hatten. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kam die Schwierigkeit hinzu, sichere Fluchtwege zu finden und Schiffe für die Überfahrt zu organisieren.

Versuche einer internationalen Regelung scheiterten

Nach dem Oktober 1941 kam die jüdische Emigration aus dem Deutschen Reich aufgrund des Ausreiseverbots dann endgültig zum Erliegen. Auf den folgenden Seiten soll dargestellt werden, wie sich die Bedingungen in den Aufnahmeländern entwickelten und wie die Menschen auf die zunehmenden Schwierigkeiten reagierten, nachdem alle Bemühungen um eine umfassende Lösung des Flüchtlingsproblems gescheitert waren.